Unternehmensführung in der Krise
Wie die Geschäftsführung persönliche Haftung vermeiden kann.
Hamburg, 29. November 2019
Mit dem sich langsam abzeichnenden Ende des seit 2009 andauernden außergewöhnlich langen Aufschwungs sieht sich eine zunehmende Zahl von Unternehmen mit ersten Krisenanzeichen konfrontiert. Im Frühjahr 2019 gab es mit 1.670 Unternehmensinsolvenzen erstmals wieder einen Anstieg der Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr.
Im Folgenden wird dargestellt, wie ein GmbH-Geschäftsführer bei einer sich abzeichnenden Unternehmenskrise reagieren sollte, um sowohl Schaden von der Gesellschaft, aber auch persönliche Haftungsansprüche abzuwenden.
I. Krise frühzeitig erkennen
Das Erkennen von Krisensituationen ist entscheidend für die Sicherung des Fortbestandes eines Unternehmens.
Eine strukturierte Buchhaltung, also eine angemessen ausgestaltete Kostenarten- und Kostenstellen- und ggf. Kostenträgerrechnung, ist die Grundlage für ein wirksames Controlling. Zusammen mit den Kennzahlen aus anderen Systemen, also z.B. Produktions-, Umschlags- oder Vertriebsdaten, verschafft es laufend den erforderlichen Überblick über die aktuelle Unternehmenssituation und ermöglicht eine gute Unternehmenssteuerung.
Ergänzt um eine regelmäßig erstellte detaillierte Planung von Gewinn und Verlustrechnung, Bilanz und daraus abgeleitet der Kapitalflussrechnung ist ein Controlling eine wesentliche Voraussetzung, um Krisen rechtzeitig erkennen zu können.
II. Pflichten in der Ertrags- und Liquiditätskrise
Die Geschäftsführung ist in der Krise in noch stärkerem Maße als ohnehin verpflichtet, die Liquiditätssituation laufend zu überprüfen, um eine möglicherweise bereits bestehende Insolvenzantragspflicht zu erkennen. Eine wochengenaue Liquiditätsplanung für die kommenden 13 Wochen ist dafür unabdingbar. Eine Liquiditätsplanung hilft, die knappe Liquidität richtig zu steuern ‒ etwa durch den Abschluss von Stundungsvereinbarungen ‒ sowie Engpässe rechtzeitig zu erkennen. Außerdem ist sie erforderlich, um die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentationspflicht zu erfüllen.
Hierzu gehört auch die ständige Überprüfung, ob bereits Gründe vorliegen, die eine Insolvenzantragsstellung erfordern.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei mögliche Gründe für eine Antragspflicht:
1. Zahlungsunfähigkeit
Wurden die Zahlungen bereits eingestellt, ist damit auch davon auszugehen, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Der BGH hat verschiedene Indizien festgelegt, die auf eine Zahlungseinstellung hindeuten. Hierzu gehören u.a. das Nichtbegleichen von Sozialversicherungsbeiträgen oder eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise.
Aber auch wenn die Gegenüberstellung der verfügbaren liquiden Mittel, also in der Regel die Bankguthaben und die noch verfügbaren Kontokorrentlinien, mit den fälligen Verbindlichkeiten eine sogenannte Unterdeckung ergibt, liegt Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Insolvenzordnung vor.
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob es sich lediglich um eine vorübergehende Zahlungsstockung handelt. Dazu ist ein dynamischer Finanzplan zu erstellen, um festzustellen, ob die Lücke vollständig innerhalb der kommenden drei Wochen geschlossen werden kann. Ist auch das nicht der Fall, muss geprüft werden, ob die Lücke kleiner als 10% der gesamten fälligen Verbindlichkeiten ist und ob diese in absehbarer Zeit beseitigt werden kann. Ist dieses nicht überwiegend wahrscheinlich, muss ebenfalls ein Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt werden.
2. Überschuldung
Neben der Zahlungsunfähigkeit ist gegebenenfalls zu überprüfen, ob das Unternehmen im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet ist. Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners – bewertet zu Liquidationswerten – die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Dieses ist in einer sog. Fortbestehensprognose zu dokumentieren. Nur wenn ein umsetzbares Unternehmenskonzept vorliegt und eine daraus abzuleitende Liquiditätsprognose, aus der sich ergibt, dass das Unternehmen im laufenden und im folgenden Geschäftsjahr jederzeit seine fälligen Verbindlichkeiten begleichen kann, muss trotz einer bestehenden Überschuldung kein Insolvenzantrag gestellt werden.
Sowohl die Überschuldungsprüfung als auch die Erstellung der Fortbestehensprognose sollten aufgrund der daraus möglicherweise für die Geschäftsführung ergebenden schuld- und haftungsrechtlichen Konsequenzen immer mit der Hilfe von erfahrenen Sanierungsexperten erfolgen.
Ergeben diese Prüfungen, dass eine Insolvenzantragspflicht besteht, ist unverzüglich, spätestens nach drei Wochen, ein Insolvenzantrag zu stellen. Diese 3-Wochenfrist gilt jedoch nur dann, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Zahlungsunfähigkeit innerhalb dieser Frist dauerhaft beseitigt werden kann, z.B. durch eine Kapitalerhöhung oder durch eine sich bereits in der Endverhandlung befindende Neufinanzierung.
III. Pflichten und Haftungsrisiken bei Eintritt der Insolvenzreife
Hat die Überprüfung der Zahlungsfähigkeit und der Überschuldung eine Insolvenzantragspflicht ergeben, gilt es jetzt für den Geschäftsführer auch zur Vermeidung von persönlichen haftungs- und strafrechtlichen Risiken schnell und richtig zu reagieren.
Der GmbH-Geschäftsführer ist zum Ersatz der Zahlungen verpflichtet, die trotz bestehender Insolvenzantragspflicht geleistet wurden (§64 GmbHG). Hier können schnell sehr hohe Beträge zusammenkommen.
Zwar ist kein Ersatz zu leisten, wenn die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vorgenommen wurden, d.h. sie waren zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und damit als Voraussetzung für die Möglichkeit einer späteren Sanierung zwingend erforderlich. Grundsätzlich gilt aber, dass durch Zahlungen die sog. Insolvenzmasse, die später den Gläubigern zur Verfügung steht, nicht gemindert werden darf. Es muss also eine wertmäßig gleiche Gegenleistung in das Vermögen der Gesellschaft gelangen. Es ist aber offensichtlich, dass die Beurteilung über Erfolgsaussichten der Sanierung und der Frage, welche Zahlungen wirklich zwingend erforderlich waren, bei Scheitern der Sanierungsversuche mit dem dann eingesetzten Insolvenzverwalter sehr kontrovers diskutiert werden dürften.
Nach §15a der Insolvenzordnung macht sich strafbar, wer seiner gesetzlichen Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags bei Vorliegen der oben aufgeführten Gründe nicht nachkommt. Auch hier sollte der Geschäftsführer also genau abwägen, ob die Bemühungen zur Rettung des Unternehmens noch innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Spielraums stattfinden.
Besonderes Augenmerk ist auf die Zahlung der Sozialversicherungsabgaben zu legen. Hier stehen zwei Anforderungen im Widerspruch zueinander: die persönliche Haftung des Geschäftsführers für deren Zahlung und seine Verpflichtung zum Masseerhalt gegenüber den übrigen Gläubigern. Reichen die liquiden Mittel nicht mehr aus, die Sozialversicherungsabgaben vollständig und rechtzeitig zu bezahlen, sondern nur teilweise, sollten die Zahlungen möglichst mit dem Verwendungszweck „Arbeitnehmeranteil“ versehen werden, denn nur für diese haftet der Geschäftsführer persönlich.
Grundsätzlich gilt, in dieser wichtigen Phase die eingeleiteten Schritte zu dokumentieren und sich zusätzlich rechtlichen Rat eines Fachanwalts für Insolvenzrecht einzuholen.
Sollte es sich als unvermeidlich erweisen, einen Insolvenzantrag zu stellen, kann dieses oft eine entscheidende Hilfe bei der Abwehr von Haftungsansprüchen sein.
Fazit
Die Bestrebungen der Geschäftsführung, das Unternehmen aus der Krise zu führen stehen häufig im Widerspruch zu stringenten Vorschriften bezüglich der Haftungsansprüche, denen sich Geschäftsführer ausgesetzt sehen können, wenn sich später die Insolvenzantragstellung als unvermeidlich erweist. Es muss häufig abgewogen werden, auf der einen Seite pragmatisch, unternehmerisch zu handeln und gleichzeitig den haftungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Es ist daher dringend anzuraten, sich in dieser schwierigen Situation rechtzeitig kompetenten Rat bei erfahrenen Sanierungsexperten zu holen.