Hilfe, wir wachsen wieder!

Finanzierungsherausforderungen nach der (eigentlichen) Krise

Symbolbild für Hilfe, wir wachsen wieder!

Mit zunehmenden Impf- und Therapieerfolgen ist absehbar, dass die Krise peu à peu an Bedeutung verliert, und die Wirtschaft sich wieder auf einem Wachstumspfad befindet.

Ein geschätzter Kollege schrieb im Rahmen der Corona-Krise folgendes:

„In wirtschaftlichen Krisen im Allgemeinen und ganz besonders in der aktuellen Corona-Krise sollte für Unternehmen die Sicherung und Steuerung der Liquidität im Vordergrund stehen, da nur liquide/ zahlungsfähige Unternehmen die Krise überdauern und sich somit auch am darauffolgenden Aufschwung beteiligen können.“

Diese Aussage möchte ich aufnehmen und auf ein Phänomen hinweisen, das derzeit weniger im Fokus steht: Finanzierungsherausforderungen nach der (eigentlichen) Krise

Restrukturierer erläutern Krisenstadien gerne in der Abfolge „Strategische Krise, Ertragskrise, Liquiditätskrise“. Von daher denken die wenigsten Akteure an eine Liquiditätskrise, wenn die vorgelagerten Krisenstadien bereits überwunden sind.

Die Corona-Krise ist jedoch keine interne Krisenursache und hat zunächst folgende Effekte auf einen Großteil der Unternehmen:

  • Das Geschäftsvolumen hat sich in 2020 und 2021 verringert
  • Fixkosten konnten nur teilweise und mit zeitlichen Verzögerungen angepasst werden mit in der Folge schwachen Periodenergebnissen

Schaut man nun aber auf die Insolvenzstatistiken, so ist eine Krise kaum erkennbar, da ordnungspolitische Maßnahmen durchaus den gewünschten Erfolg hatten:

  • Hilfsgelder und Corona-Darlehen haben die Unternehmen mit Liquidität versorgt
  • Überschuldung als Insolvenzgrund für Unternehmen mit (normalerweise) funktionierendem Geschäftsmodell wurde ausgesetzt

Warum dann jetzt eine Liquiditätskrise – und wo insbesondere?

Den Unsicherheiten und den direkt spürbaren Umsatzeinbußen wurde – zu Recht – mit liquiditätswirksamen Maßnahmen entgegengesteuert: Aufwendungen wurden heruntergefahren, Investitionen zurückgestellt. Und ein Effekt kam noch dazu: bei Unternehmen mit positivem Working Capital, d.h. mit einer Bindung von Liquidität in Abhängigkeit des Geschäftsmodells, führte der Umsatzrückgang auch zu einer Freisetzung von Liquidität in diesem Bereich.

Somit tritt dieser Effekt besonders dort stark auf, wo Folgendes gegeben ist:

  • Hoher Vorratsbestand (z.B. Warenverfügbarkeit als Wettbewerbsfaktor)
  • Hohe Forderungen (z.B. bei branchenüblich langen Zahlungszielen im Verkauf)
  • Geringe Verbindlichkeiten (z.B. aufgrund Vorkasse / FOB-Importe im Einkauf)

Einige Beispiel-Industrien, auf die dieses im besonderen Maße zutrifft:

  • Großhandel mit Warenimporten aus Fernost (z.B. Textil, Konsumgüter)
  • B2C-Güter mit investivem Charakter und Ratenzahlungsoption (z.B. Möbel)
  • Anlagenintensiver Maschinenbau mit langen Fertigungszeiten

Folgende Faktoren fungieren zudem als Katalysatoren, die den Bedarf an Liquidität erhöhen und deren Beschaffung erschweren:

  • Stärkung der Verhandlungsposition der Rohstofflieferanten mit tendenziell engeren Zahlungszielen durch aktuelle Rohstoffverknappung und Verteuerung
  • Mittelfristiger Bedarf zum Abbau von Investitions- und Instandhaltungsstaus
  • Vorsichtiges Agieren von Sonderfinanzierern, die das Working Capital entlasten, bei der Vergabe von Limiten (z.B. Factorer in Kombination mit Warenkreditversicherungen), oder Ablehnung solcher Instrumente durch Unternehmen und deren übrige Finanzierer (z.B. aufgrund Negativimage des Supply Chain Financing im Rahmen der Greensill-Insolvenz)
  • Verschlechterte Basisdaten für die Evaluierung der Bonität:
    • Notwendigkeit für Kreditinstitute und andere Finanzierer auf ältere (prä-Corona) Zahlen aufzubauen oder das oft schon schlechte 2020 einzubeziehen
    • Unsicherheit bei Planungsrechnungenund ggf. Negativeinfluss aus den mäßigen Erwartungen an 2021
  • Übertragung der Unsicherheit der Unternehmen (und ggf. auch eine gestiegene Fremdkapitalquote aufgrund von Corona-Krediten) auf mögliche Kreditengagements mit in der Folge erhöhtem Analyse- und Dokumentationsaufwand, sowie höherem Bankenrisiko – sprich höhere Refinanzierungskosten


Was tun?

Transparenz als Erfolgsfaktor

Für die Unternehmen, die sich in einer solchen Lage befinden, ist es zum einen wichtig, das Working Capital Management (weiter) im Auge zu behalten. Wie oben beschrieben, stoßen die Unternehmen dabei aber auch an die Grenzen ihres jeweiligen Geschäftsmodells oder Marktes.

Zum anderen – und hier erscheint uns der Hebel größer – ist die Finanzierung des Wachstums zu sichern. Die Herausforderungen aus der allgemeinen Unsicherheit hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Entwicklung, der marktspezifischen Entwicklung, und vor allem der unternehmensspezifischen Entwicklung, kann und muss durch eine möglichst hohe Transparenz und Prognosequalität entgegengewirkt werden. Diese Anforderung wirkt sich auf alle Bereiche aus:

  • Transparenz über die Ertrags- und Liquiditätsentwicklung sowohl im Ist, als auch in einem rollierenden Forecast (Integrierte Planung)
  • Transparenz über Risiken und deren Auswirkungen, sowie über den konkreten Umgang mit diesen (Risikomanagement)
  • Transparenz über kurz- und mittelfristige Liquiditätsbedarfe zur Liquiditätssteuerung (z.B. 13-Wochenvorschau)

All diese Punkte sind nicht nur zur internen Steuerung des Unternehmens essenziell, sondern bilden auch die Basis einer guten Kommunikation mit den Finanzierern – nicht nur in der Phase der Liquiditätseinwerbung. Das in der laufenden Zusammenarbeit entstehende Vertrauen zwischen Unternehmen und Finanzierern bildet auch die Basis für flexible Lösungen bei neuen Herausforderungen.

Anders formuliert: Basistechniken finanzieller Unternehmenssteuerung geraten in Zeiten wirtschaftlichen Erfolges mitunter in Vergessenheit; kriseninduzierte Engpässe erfordern Transparenz, um Entscheidungen über knappe Ressourcen schnell und richtig treffen zu können.

Was sind Ihre Beobachtungen und Erfahrungen? Wir würden uns freuen, mit Ihnen darüber zu diskutieren, und freuen uns über Ihr Feedback!