Das Schutzschirmverfahren als Sanierungsinstrument

Hamburg, 09. November 2020.

Mehr sanieren weniger abwickeln lautete das Ziel, als am 1. März 2012 das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) in Kraft trat. Zentrales Anliegen des ESUG ist es die sogenannte Eigenverwaltung (§270a InsO) und die Schaffung eines Schutzschirmes (§ 270 b InsO) zu stärken und somit eine neue Insolvenzkultur herbeizuführen.

Ziele des Schutzschirmverfahrens

Mit dem Schutzschirmverfahren wird dem Schuldner ein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügung gestellt. Er soll die Chance bekommen, unter dem Schutz dieses besonderen Verfahrens in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließend in Form eines sogenannten Insolvenzplanes umgesetzt wird.

Grundlagen

Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) machen rund ein Drittel aller Eigenverwaltungen aus und spielen im Vergleich zu herkömmlichen Insolvenzverfahren eine zunehmend bedeutende Rolle. Sie sollen einen Anreiz schaffen, frühzeitig ein Sanierungsverfahren einzuleiten. Der Schuldner behält die Verfügungsgewalt und die Finanzhoheit über sein Unternehmen, ihm wird lediglich ein Sachwalter zur Seite gestellt, der das Verfahren überwacht. Der Schuldner darf grundsätzlich seinen Sachwalter selbst vorschlagen. Das Gericht darf von diesem Vorschlag nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit abweichen (§ 270b Abs. 2. InsO).

Wenn das betreffende Unternehmen im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei Bedingungen (50 Mitarbeiter, 12 Mio. EUR Umsatz und eine Bilanzsumme von 6 Mio. EUR) erfüllt oder überschreitet, hat das Gericht zudem einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen.

Im Zuge der Wirtschaftskrise, die durch die Corona-Krise ausgelöst wurden, sind einige bekannte Unternehmen unter den Schutzschirm geflüchtet, u.a. Condor, Bonita und der Kranhersteller Tadano Demag.

Voraussetzungen

Das Schutzschirmverfahren setzt einen Antrag auf Eigenverwaltung bei Gericht voraus. Das Gericht muss aufgrund der Antragsstellung davon überzeugt sein, dass einer der Insolvenzgründe drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung gegeben ist. Bei einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit kann kein Schutzschirmverfahren eröffnet werden. Weiterhin darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtlos sein. Diese beiden Voraussetzungen (Insolvenzgrund und Sanierungsaussichten) müssen durch detaillierte Aufstellungen und Ausführungen in einer Bescheinigung glaubhaft gemacht werden. Daher empfiehlt es sich für den Schuldner, bereits vor Antragsstellung geeignete fachkundige Unterstützung heranzuziehen. Weiterhin müssen die Verfahrenskosten gedeckt sein.

Ablauf

War die Antragsstellung erfolgreich bestimmt das Insolvenzgericht eine Frist (max. 3 Monate/ Schutzschirmzeit), die mit dem vorläufigen Verfahren in herkömmlichen Insolvenzverfahren vergleichbar ist. Innerhalb dieser Frist soll der Schuldner gemeinsam mit dem vorläufigen Sachwalter den Insolvenzplan erstellen und mit den Gläubigern verhandeln. Für den Insolvenzplan spielen damit auch die Sanierungserleichterungen wie z.B. erleichterte Kündigungsmöglichkeiten für langfristige Dauerschuldverhältnisse oder von Mitarbeitern und das Insolvenzausfallgeld eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus hat das Insolvenzgericht auf Verlangen des Schuldners anzuordnen, dass das Unternehmen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten (§270b Abs. 3 InsO) ermächtigt ist, zusätzlich ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners einen Vollstreckungsstopp (§ 270b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 3 InsO) an.

Innerhalb der Frist kann das Gericht den Schutzschirm aufheben, wenn die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist, der vorl. Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Frist zu Nachteilen für die Gläubiger führt (§ 270b Abs. 4).

Das Schutzschirmverfahren ist besonders für Unternehmen, die frühzeitig (keine Zahlungsunfähigkeit) handeln und gute Sanierungsaussichten haben, zu empfehlen. Der Erfolg des Schutzschirmverfahrens hängt entscheidend von der frühzeitigen Einbindung der wichtigen Stakeholder, vor allem der Banken und Kreditversicherer ab. Eine wesentliche Aufgabe im Schutzschirmverfahren dürfte deshalb in der Disziplinierung solcher Gläubiger liegen, die sich in einer schwachen, weil ungesicherten oder nachrangigen Rechtsposition befinden, gleichwohl aber auf eine vollständige Realisierung ihrer Forderungen bestehen und damit möglicherweise die Sanierung des Unternehmens gefährden.

Da eine Veröffentlichung der Antragstellung bis zur Eröffnung des Verfahrens nicht zwingend zu erfolgen hat, können unter dem Schutzschirm, gegebenenfalls nur unter Einbeziehung eines kleinen Gläubigerkreises und nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit, gleichwohl aber unter Insolvenzschutz, elementare Sanierungsmaßnahmen realisiert werden.

Wenn unter dem Schutzschirm (max. 3 Monate) keine Einigung mit den Gläubigern erzielt werden kann, wird nach Ablauf der Frist das herkömmliche Insolvenzverfahren eröffnet.

Vorteile

  • Einleitung schon vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit möglich
  • Begrifflichkeit suggeriert den Gläubigern ein außergerichtliches Sanierungsverfahren
  • Kein Kontrollverlust; Sachwalter kann selbst bestimmt werden
  • Unter dem Schutzschirm gelten umfangreiche Insolvenzerleichterungen (Kündigungsmöglichkeiten für langfr. Dauerschuldverhältnisse/ Sonderkündigungsrecht Mitarbeiter/ Untersagung Zwangsvollstreckungen/ Ermächtigung Masseverbindlichkeiten unter dem Schutzschirm einzugehen)
  • Sachwalter bekommt klassisch nur 60% der Vergütung eines Insolvenzverwalters

Nachteile

  • Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Schutzschirmverfahren kann schnell auch der Antrag auf Eigenverwaltung erfolglos sein
  • Der vorläufige Gläubigerausschuss kann mehrheitlich und ohne Angabe von Gründen die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens beantragen (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InsO)
  • Die Kosten für die Erstellung der Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO (mittelgroße Verfahren > EUR 10 Tsd.)

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